Dr. h.c. Hermann Weinkauff - Informationen zu dem ersten Präsidenten des BGH

Weinkauff, der erste Präsident des BGH, hat stets erklärt, er sei unbelastet. Dies ist nicht frei von Zweifeln, wie eine Entscheidung zeigt, an der er als Senatsmitglied mitgewirkt hat. Die Entscheidung des Reichsgerichts vom 27.06.1936 behandelt Ansprüche eines jüdischen Regisseurs, dem faktisch Berufsverbot erteilt worden war, da er als Nichtarier nicht mehr Mitglied der Filmkammer des Deutschen Reichs werden konnte. "Wird ein Nichtarier als Manuskriptverfasser oder Regisseur an einem Film beschäftigt, so ist dessen öffentliche Vorführung unzulässig" (RG, Urteil vom 27.06.1936 - I 297/35, Umdruck, dort ab S. 4 unten). Im Vertrag über die Regietätigkeit war vereinbart, dass die Filmfirma vom Vertrag mit dem Regisseur zurücktreten kann und der Regisseur zur Rückzahlung bereits empfangener Beträge verpflichtet ist, wenn der Regisseur durch "Krankheit, Tod oder ähnlichen Grund nicht zur Durchführung seiner Regietätigkeit imstande" ist. Nachzuweisen ist nicht, dass Weinkauff in der Sache als Berichterstatter tätig war, und: die Passage, die die Entscheidung als nationalsozialistisches Unrecht brandmarkt aus seiner Feder stammt. In der Entscheidung heißt es:

(...) Die Gründe des Berufungsurteils befassen sich eingehend mit der Behauptung des Beklagten [=Regisseur] (...). "Die Auslegung der Beklagten [=Regisseur], wonach unter einem "ähnlichen Grunde" lediglich krankhafte ("pathologische") Möglichkeiten (wie Geistesstörung, Invalidität, Verstümmelung) zu verstehen seien, hafte in unhaltbarer, vom Gesetz (BGB §§ 133157) gemißbilligter Weise am Wortlaut und Buchstaben. Die allgemeine Fassung des Zusatzes gehe viel weiter; sie erstrecke sich auf alle Fälle, in denen C [Regisseur] durch einen in seiner liegenden Person liegenden Umstand an der Ausübung der vertraglich bedungenen Tätigkeit verhindert sein sollte. (...) Unter der politischen Entwicklung seit dem Abschluss des Vertrages sei Cs jüdische Abstammung zu einem solchen Hinderungsgrunde geworden, der sich unmittelbar aus seiner Person ergab und ihn in seiner Eigenschaft als Nichtarier betraf. Der Wortlaut "nicht imstande" bedeute sonach keine Einschränkung auf geistiges oder körperliches Unvermögen, sondern umfasse alle Möglichkeiten verschuldeter oder unverschuldeter Behinderung.

Dieser Auslegung des Kammergerichts steht kein rechtliches Bedenken entgegen. Sie entspricht den gesetzlichen Grundlagen (BGB §§ 133157), auf die sie Bezug nimmt. Unterstützt wird sie durch die leitenden Gedanken, nach denen (seit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten) der Befugniskreis des Einzelnen rassemäßig bedingt ist. Die frühere ("liberale") Vorstellung vom Rechtsinhalte der Persönlichkeit machte unter den Wesen mit Menschenantlitz keine grundsätzlichen Unterschiede nach der Gleichheit oder Verschiedenheit des Blutes; sie lehnte deshalb eine rechtliche Gliederung und Abstufung der Menschen nach Rassegesichtspunkten ab. Der nationalsozialistischen Weltanschauung dagegen entspricht es, im Deutschen Reiche nur Deutschstämmige (und gesetzlich ihnen Gleichgestellte) als rechtlich vollgültig zu behandeln. Damit werden grundsätzliche Abgrenzungen des früheren Fremdenrechts erneuert und Gedanken wiederaufgenommen, die vormals durch die Unterscheidung zwischen voll Rechtsfähigen und Personen minderen Rechts anerkannt waren. Den Grad völliger Rechtslosigkeit stellte man ehedem, weil die rechtliche Persönlichkeit ganz zerstört worden sei, dem leiblichen Tode gleich; die Gebilde des "bürgerlichen Todes" und des "Klostertodes" empfingen ihre Namen aus dieser Vergleichung. Wenn in Nr. 6 des Manuskriptvertrages vom 24. Februar 1933 davon die Rede ist, daß C "durch Krankheit, Tod oder ähnlichem Grund nicht zur Durchführung seiner Regietätigkeit imstande sein sollte", so ist unbedenklich eine aus gesetzlich anerkannten rassepolitischen Gesichtspunkten eingetretene Änderung in der rechtlichen Geltung der Persönlichkeit dem gleichzuachten, sofern sie die Durchführung der Regietätigkeit in entsprechender Weise hindert, wie Tod oder Krankheit es täten. (...)

Ob die Unterlagen, die heute im Bundesarchiv in Koblenz lagern, vor Weinkauffs Ernennung zum ersten Präsidenten des BGH bekannt waren, ist nach heutigen Kenntnissen nicht bekannt. Wer heute forscht, findet jedoch die Beurteilung Weinkauffs als Hilfsrichter beim Reichsgericht in der es wie folgt heißt:

(...) Wenn dagegen bei der Besetzung der jetzt freiwerdenden Stelle Oberstaatsanwalt Kirchner berücksichtigt würde, so würde dadurch ein Grundsatz aufgestellt, der auch bei Ernennung von Hilfsrichtern beim Reichsgericht zu Reichsgerichtsräten befolgt worden ist, und dessen Berechtigung die Länder stets anerkannt haben. Sollten bereits jetzt seitens der bayerischen Staatsregierung Wünsche auf Berücksichtigung eines bayerischen Beamten bei der Besetzung von Stellen der Reichsanwaltschaft geäußert werden, so könnte ihnen vielleicht dadurch Rechnung getragen werden, daß bei Übertragung der Reichsanwaltsstelle auf Oberstaatsanwalt Dr. Kirchner und der dadurch freiwerdenden Oberstaatsanwaltsstelle auf den Ersten Staatsanwalt Floegel die Stelle in Gruppe XI dem bayerischen Hilfsarbeiter Weinkauff übertragen würde, der hervorragend befähigt ist und sich bei den Strafsenaten einer ganz außergewöhnlichen Hochschätzung erfreut. (...)

Verständlich ist daher, dass eine nach heutigen Maßstäben freiheitlich-demokratische Gesinnung in der Richterschaft des Bundesgerichtshofes unter der Präsidentschaft von Weinkauff nicht viel Raum erobern konnte (vgl. dazu die Entscheidung zum Bundesentschädigungsgesetz (BEG) zu "Zigeunern"; BGH, Urteil vom 07.01.1956 - IV ZR 273/55).

Man wird aus den Zeitumständen und den Personen, die diese Zeit mit geprägt haben, wohl den Wunsch nach einem Gedenken an die 34 Richter und Reichsanwälte, die 1945/1946 in den Lagern Mühlberg/Elbe und Buchenwald umgekommen sind, verstehen müssen.